Wenn über Venture Capital gesprochen wird, schweift der Blick reflexartig in die USA. Dort werden Milliarden bewegt, Unicorns entstehen im Monatsrhythmus und die Bewertungen scheinen keine Grenzen zu kennen. Europa, und mit ihm die Schweiz, wirkt daneben bescheidener. Runden sind kleiner, die mediale Aufmerksamkeit zurückhaltender, und die Exits verlaufen meist leiser. Aber genau hier liegt eine Stärke, die viele Investoren zunehmend erkennen: europäische Start-ups ticken anders – und das kann langfristig der bessere Investmentcase sein.
Das fängt schon bei der Bewertung an. In Europa sind die Multiples im Schnitt deutlich niedriger als im Silicon Valley. Das bedeutet: Der Einstieg für Investoren ist günstiger, die Erwartungshaltung realistischer und der Druck auf Gründerteams weniger toxisch. Statt in einem ständigen Wachstumsrennen zu stehen, können viele europäische Start-ups nachhaltiger planen, Produkte solide entwickeln und Geschäftsmodelle Schritt für Schritt validieren. Für Investoren, die auf Substanz statt auf Spekulation setzen, ist das ein unschätzbarer Vorteil.
Die Schweiz spielt dabei eine besondere Rolle. Mit ihrer Kombination aus politischer Stabilität, starkem Bildungssystem und global ausgerichteten Branchenclustern bietet sie ein Umfeld, das überdurchschnittlich viele innovationsstarke Start-ups hervorbringt. Ob in Biotech, Cleantech, Medtech oder Fintech – Schweizer Gründerteams sind oft nicht die lautesten, aber sie liefern Qualität. Das zieht auch zunehmend internationales Kapital an, von Family Offices bis zu institutionellen Fonds. Gleichzeitig bleiben die Bewertungen im Vergleich zu internationalen Hotspots moderat, was Einstiegschancen für lokale Investoren verbessert.
Natürlich hat Europa auch Schwächen. Die Kapitalmärkte sind fragmentierter, der Zugang zu grossen Finanzierungsrunden ist schwieriger, und die regulatorischen Rahmenbedingungen sind komplexer. Aber gerade diese Faktoren zwingen Unternehmen zu einem disziplinierteren Wachstum. Sie müssen schneller beweisen, dass ihr Modell trägt. Sie können sich weniger Fehler leisten, aber genau das erhöht die Resilienz. Viele europäische Scale-ups sind am Ende robuster, weil sie sich in einem härteren Umfeld behaupten mussten.
Für Investoren heisst das: Wer Europa unterschätzt, lässt Chancen liegen. Nicht, weil hier die grössten Runden stattfinden, sondern weil hier jene Unternehmen entstehen, die langfristig Bestand haben. Das Bild vom kleinen Bruder der USA ist längst überholt. Europa – und die Schweiz im Besonderen – bieten eine eigene Qualität, die gerade jetzt sichtbar wird, wo globale Märkte unter Druck stehen. Weniger Glamour, mehr Realität. Weniger Hype, mehr Substanz. Und genau darin liegt die Chance für Investoren, die nicht nur auf Schlagzeilen setzen, sondern auf echte Wertschöpfung.